Ich: "Pssst, Roland... Hey, sollen wir das wirklich machen?"
Roland (sehr verschlafen): "Was...? Wie spät ist es?"
Ich: "Kurz nach sechs... Die Kinder schlafen friedlich, das Wetter sieht ganz gut aus. Wir müssten dann jetzt aufstehen!"
Roland (zögernd): "...na gut, dann gehen wir los."
Ich: "JUUUUUUBEL" (aber natürlich nur innerlich, denn sonst wären ja die Kinder aufgewacht).
Von Anfang an war ich die treibende Kraft für dieses Unterfangen. Irgendwie hatte ich mir in den Kopf gesetzt, dass wir - wenn irgendwie möglich - während unseres Urlaubs auf Jeju auf den Hallasan wandern.
Der Hallasan - DAS Wahrzeichen Jejus - ist der höchste Berg Südkoreas, ein ruhender Vulkan der zuletzt in den Jahren 1002 und 1007 ausgebrochen ist und in dessen Krater sich ein kleiner See befindet.
Auf den Bildern in Reiseführern und im Internet sieht er (weil er häufig im Nebel liegt) oft mystisch aus als ob es dort Elfen und Feen gibt und die Natur wirkt unberührt und irgendwie wild und außergewöhnlich...
Da muss ich hin!!!
Die Gelegenheit war günstig: Perfektes Herbstwetter, die Großeltern als Babysitter für die Kinder dabei ... einziges Problem: Roland und ich sind beide momentan nicht wirklich so gut im Training für Outdoor-Aktivitäten dieses Umfangs... Unser deutscher Reiseführer warnte: "Da sich das Wetter in den oberen Höhenlagen des Berges schlagartig ändern kann, z.B. Nebel mit null Sichtweite und eisiger Wind auftreten, scheitern viele Aufstiege auf den Hallasan allein an den Witterungsbedingungen. Auf jeden Fall muss ausreichend Wasser und Nahrung mitgenommen werden, da es auf dem Berg kaum Quellen für Frischwasserversorgung gibt. Der Pfad sollte wegen der abrupten Wetterwechsel nicht allein begangen werden. (...) Schwierigkeitsgrad: anstrengend bis sehr anspruchsvoll; nichts für Ungeübte." Oh, oh...
Trotzdem hatte ich den Wecker gestellt, den Rucksack am Abend "vorgepackt", Oma und Opa Instruktionen für das Handling der Kinder gegeben - und jetzt halt meinen Mann um kurz nach sechs in der Früh aus dem Tiefschlaf geholt!
6.30 Uhr: Eine halbe Stunde nach dem Aufstehen saßen wir im Auto auf dem Weg zum Startpunkt des Wanderweges. Nach ausgiebiger Lektüre mehrerer Reiseführer und weiteren Nachfragen bei den Angestellten unserer Unterkunft (die Locals wissen es meist am besten) hatten wir uns - oder vielleicht eher ich mich - entschlossen den sogenannten Seongpanak Trail bis zum Krater zu gehen (und diesen auch wieder zurück, da der einzige andere Weg bis zum Gipfel - der Gwaneumsa Trail - wegen abstürzender Steine zeitweise gesperrt war und wir natürlich auch zu unserem Auto zurück wollten). Am Parkplatz standen um sieben Uhr früh bereits diverse Auto - wir waren also nicht die Ersten - aber es war noch verhältnismäßig ruhig dafür, dass es Feiertag war und wir Menschenmassen befürchtet hatten.
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Ready to go! |
7.12 Uhr: Los geht's!!! Gespannt und aufgeregt machten wir uns auf den Weg!
Der erste Teil der Strecke bis zum Sokbat Shelter war verhältnismäßig einfach zu gehen - jedoch trotzdem immer stetig bergauf. Am Sokbat Shelter legten wir eine kurze Rast ein, wir hatten zu Hause nicht gefrühstückt und nach einer knappen Stunde auf der Strecke überfiel und der Hunger!
Danach ging's weiter... Die Strecke war dann nicht mehr als Schwierigkeitsgrad "easy" sondern als "normal" definiert und es ging wirklich um einiges steiler als zuvor weiter. Die Strecke war zudem sehr steinig; man musste bei jedem Tritt aufpassen um nicht abzurutschen oder umzuknicken. Wir waren wirklich froh, dass wir extra unsere Wanderschuhe aus Seoul mitgebracht hatten (und nicht wie manch andere in Turnschuhen unterwegs waren).
Für einen kurzen Moment hatte Roland auf diesem zweiten Abschnitt einen Tiefpunkt und wir waren uns nicht sicher ob wir es bis nach oben schaffen. Ich nachhinein lag es aber wohl eher am zu spät gegessenen Frühstück, dass mein Mann auf Reserve lief.
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Kurz vor dem Jindallaebat Shelter |
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Erste Blicke auf den Gipfel |
9.25 Uhr: Wir sind am Jindallaebat Shelter! Diese Streckenposten muss man bis spätestens 12.30 Uhr (im Sommer; 12 Uhr im Winter) passiert haben um den letzten sehr anstrengenden Streckenteil der zum Gipfel führt weitergehen zu dürfen. Wir waren bestens in der Zeit, gut gelaunt und gingen ohne Pause weiter!
Das Terrain wurde ab hier als "difficult" eingestuft. Es war nun wirklich sehr steil; was mich aber noch mehr angestrengt hat und mich fast in die Knie gezwungen hätte, waren die Treppenstufen auf den letzten ca. 800 Metern - es waren gefühlt 100.000!!!
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Kurz vorm Gipfel! |
10.55 Uhr: Angekommen! Wir sind am Gipfel!!!! Juhu! Kurz verschnaufen und dann: FOTOS MACHEN!!!!
11.15 Uhr: Je später es wird, umso mehr Leute sehen wir die letzten anstrengenden 2km hochkraxeln. Außerdem ist es wirklich seeeeehr windig und kalt oben, deshalb entschließen wir uns "schon" wieder den Abstieg zu beginnen.
Runterwärts ist es fast genauso anstrengend wie hochwärts. Der Weg ist steinig, rutschig und schmal - klar, das war er hochwärts auch - aber es kommen uns nun einige Leute entgegen und man muss sich ständig ausweichen.
Wir machen mehrere kurze Pausen während des Abstiegs und werden gegen Ende auch langsamer.
14.30 Uhr: Wir sind wieder am Ausgang! Nach einer kurzen Relax-Pause sehen wir auch gar nicht so fertig aus wie erwartet. Und wir sind
ein bischen SEHR stolz: Wir haben es geschafft!
Ich weiss, ich weiss, ich berichte hier über eine Wanderung die für manche vielleicht ein Klacks ist, wie über die Expedition auf den Mount Everest... Lacht ruhig über mich!
Für mich war es aber schon eine Herausforderung und dass ich bzw. wir es geschafft haben, war eines meiner Urlaubshighlights!
Die Fakten:
Wegstrecke: 9,6 km (einfach); also 19,2 km Round-Trip
Höhenmeter: 1.200m: Der Einstieg zum Seongpanak Trail liegt auf 700m, der Gipfel des Hallasan ist 1.950 hoch (und wir mussten natürlich auch die 1.200m wieder runter - das ging ganz schön auf die Waden)
Dauer des Muskelkater: ca. 3 Tage
Dauer des Grinsens im Gesicht: hält noch an :-)
Fazit: Wer die Gelegenheit hat, diese Wanderung zu machen: DO IT!!!!!